New Work im Tourismus 

Kann New Work auch in der Tourismusbranche funktionieren? 

Ob Home Office, Remote Work, Jobsharing oder Workations: Flexible, mobile und agile Arbeitszeiten und -modelle sowie die Work Life Balance spielen eine zunehmend wichtigere Rolle in der modernen Arbeitswelt. Aber kann New Work auch in der Tourismusbranche funktionieren? Welche Herausforderungen und Chancen mehr Flexibilität und weniger Hierarchie mit sich bringen.

Arbeiten mit bester Aussicht: Vor einem Fenster steht ein Laptop auf einem Tisch, draußen ist die Stadt Nürnberg zu sehen.
New Work ist inzwischen ein fester Bestandteil des Arbeitsalltags in vielen Branchen. Foto: © erlebe.bayern – Thomas Linkel

Was früher hippen Start-Ups oder Tech-Firmen aus dem Silicon Valley vorbehalten war, ist heute auch in mittelständischen oder Klein-Betrieben zu finden: New Work.

Das Modewort hat kein deutsches Pendant und bezeichnet die Auflösung klassischer Arbeitsstrukturen und -modelle zugunsten von mehr Flexibilität und Selbstbestimmung. Kurzum, aus der Arbeitsethik der industriellen Revolution „leben, um zu arbeiten“ macht New Work „arbeiten und leben“. Ob offene Büroraumkonzepte, flexible Arbeitszeiten, fluide Teams, flache Hierarchien, Vier-Tage-Wochen oder Home Office – New Work umfasst zahlreiche Möglichkeiten der Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung, nicht nur für klassische Bürojobs, sondern auch für Tätigkeiten, die Gästekontakt oder körperliche Arbeit beinhalten. Denn im Grunde geht es um mehr Freiheit, Selbstständigkeit und Teilhabe im Beruf.

New Work: sinnvoll und selbstbestimmt 

Einst zur Optimierung der Kreativität und Agilität in der IT-Branche genutzt, ist New Work inzwischen ein fester Bestandteil des Arbeitsalltags in vielen Branchen. Denn für Arbeitnehmer*innen steht heute meist nicht mehr nur die Karriere, sondern die Sinnhaftigkeit und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben im Zentrum. Flexibilität und das Gefühl, selbstbestimmt zu handeln, sind für viele ebenso wichtig, wie ein faires Gehalt.¹ Arbeitnehmer*innen wollen nicht nur einen Job, sondern eine erfüllende Tätigkeit, die mit dem Privatleben harmonisch vereinbar ist.

Agile Arbeit auf Augenhöhe 

Eines steht fest: Es wird immer wichtiger, dass Arbeitgeber*innen durch Benefits und kreative Maßnahmen herausstechen, um Arbeitnehmer*innen von sich zu überzeugen. Arbeitnehmer*innen achten heute vor allem auf flexible Arbeitszeitmodelle und vielseitige Karrieremöglichkeiten; auch Tandem-Positionen, 32-Stunden-Wochen und Auszeiten ohne Karriereknick stehen auf der Wunschliste ganz oben. Zudem eine wertschätzende Unternehmenskultur, die eine Arbeit auf Augenhöhe, Vertrauen und Verantwortung fördert. Dies ist eine weitere, wichtige Stellschraube, an der auch Arbeitgeber*innen drehen können, die flexible Arbeitszeiten oder Home Office nur schwer umsetzen können.

Auch eine agile Unternehmensstruktur macht es möglich, dass die nötigen Freiräume für eine möglichst hierarchiefreie Arbeit, Selbstorganisation und -führung geschaffen werden, welche wiederum die Mitarbeiter*innenbindung stärken, die Effizienz und Kollaboration steigern und schlussendlich auch dabei helfen können, neue Arbeitnehmer*innen zu akquirieren. Ob agiles Führen oder agile Workflows – die Fähigkeit, flexibel und proaktiv zu handeln kann für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen gleichermaßen vorteilhaft sein. Denn je mehr Mitarbeiter*innen sich einbringen können, umso mehr identifizieren sie sich mit ihrer Arbeit und dem Unternehmen.

Mitarbeitende eines Restaurants (3 Köche und zwei Kellnerinnen) unterhalten sich stehend an der Bar.
Wenn Mitarbeiter*innen sich einbringen können, identifizieren sie sich mehr mit ihrer Arbeit und dem Unternehmen. Foto © Gert Krautbauer
Eine Frau steht mit ihrem Smartphone in der Hand an einem Balkon mit toller Aussicht auf Augsburg.
Wenn Mitarbeiter*innen durch digitale Prozesse sinnvoll entlastet werden, bleibt mehr Zeit für andere Tätigkeiten. Foto © erlebe.bayern – Thomas Linkel

Digitalisierung von Arbeitsprozessen 

Auch der verstärkte Einsatz von digitalen Hilfsmitteln zur Optimierung der Kommunikation oder zum Prozess- und Projektmanagement, kann dabei helfen, eher eintönige und repetitive Tätigkeiten auf ein Minimum zu beschränken. Kreative, intuitive oder empathische Tätigkeiten können dadurch wieder mehr in den Fokus der Arbeitstätigkeit rücken. Und wenn Mitarbeiter*innen durch digitale Prozesse sinnvoll entlastet werden, bleibt mehr Zeit für andere oder neue Tätigkeiten, die tatsächlich eine menschliche Arbeits- und Denkleistung erfordern.

Flexibilität und New Work: Ein Geschäftsmann, der in einem Rollstuhl sitzt, ist bei einem Meeting mit weiteren Personen im Büro.
Flexible Arbeitszeitmodelle und New Work-Optionen haben einen inklusiven Charakter, sorgen für mehr Diversität und bauen Zugangsbarrieren sukzessive ab. Foto: © istock – skynesher

Inklusion und Vielfalt konstruktiv nutzen 

Flexible Arbeitszeitmodelle und New Work-Optionen haben zudem einen inklusiven Charakter, sorgen für mehr Diversität und bauen Zugangsbarrieren sukzessive ab. Daraus ergeben sich wiederum zahlreiche neue Berufsmöglichkeiten – insbesondere für Frauen.² Da Unternehmen heute – im Gegensatz zu früher – um Mitarbeiter*innen buhlen müssen, sind ein neues Verständnis der Arbeitswelt und attraktive Arbeitsbedingungen – neben echter Wertschätzung – ein hilfreiches Mittel, um dem Fachkräftemangel aktiv entgegenzuwirken.

Progressive Arbeitsmodelle in der Praxis 

Zudem gibt es noch zahlreiche progressivere New Work-Maßnahmen, wie z.B. die Implementierung einer Vier-Tage-Woche. Diese sind in Deutschland bisher kaum verbreitet. Doch einzelne Unternehmen wie z.B. die 25hours Hotel Company zeigen auf, wie man auch diesen New Work-Ansatz erfolgreich in die Praxis umsetzen kann. Seit November 2021 verteilt sich die Wochenarbeitszeit dort auf vier statt auf fünf Arbeitstage. Durch dieses neue Arbeitsmodell soll die Attraktivität der Arbeitsplätze, besonders in den Abteilungen mit Schichtarbeit, gesteigert werden. Der reguläre Arbeitstag hat dann zwar eine Stunde mehr, dafür sind drei freie Tage garantiert. Auch im Maiers Hotel Parsberg arbeiten die Mitarbeiter*innen an vier Wochentagen. Und können sich ihre Dienstpläne sogar via App selbstständig und flexibel einteilen und bei Bedarf unkompliziert tauschen.

Mann deckt Tisch mit Weingläsern ein
Die 4-Tage-Woche kann die Attraktivität von Arbeitsplätzen, besonders in Abteilungen mit Schichtarbeit, steigern. Foto: © erlebe.bayern – Thomas Linkel

Jobsharing und Co-Leadership

Die Deutsche Bahn testet seit mehreren Jahren erfolgreich Jobsharing in Führungspositionen. Zwei Führungskräfte teilen sich hier ein Team und arbeiten kollaborativ im Tandem. Beide können gleichermaßen fachliche Entscheidungen treffen und sich so gegenseitig entlasten. Das Modell ermöglicht es insbesondere hochqualifizierten Eltern, die nicht auf Vollzeitbasis arbeiten können oder möchten, eine Führungskarriere zu machen. Zudem tragen Jobsharing-Kombinationen (z.B. aus erfahrenen und weniger erfahrenen Mitarbeiter*innen) auch dazu bei, dass oftmals bessere, kreativere und innovativere Entscheidungen getroffen werden als im Alleingang. Damit soll aktiv die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf gefördert werden.

Mit Hilfe von Jobsharing können auch Saisonstellen für Arbeitnehmer*innen attraktiver gestaltet werden. So haben österreichische Tourismusbetriebe in Vorarlberg die Initiative „Im Winter im Schnee, im Sommer am See“ ins Leben gerufen. Dabei teilen sich je ein Sommer- und Winterbetrieb die Mitarbeiter*innen je nach Saison auf. Der Vorteil: Arbeitnehmer*innen haben ein gesichertes Ganzjahres-Arbeitsverhältnis und eine entspannte Zwischensaison zum Erholen. Zudem die Abwechslung, an zwei verschiedenen Arbeitsplätzen tätig zu sein und die Möglichkeit, dort neue Erfahrungen zu sammeln.

Workation 

Auch die BayTM hat sich zu Beginn des Jahres 2023 für die Einführung einer weiteren New Work-Maßnahme entschieden. Nun gibt es erstmals für alle Mitarbeiter*innen die Möglichkeit einer zweiwöchigen Workation pro Jahr. Die Kombination von Arbeit und Urlaub ermöglicht einen temporären (Arbeits-)Ortswechsel und auch die Option, länger an einem (Urlaubs-)Ort zu verweilen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Dem Unternehmen entstehen durch diese Maßnahme keine Mehrkosten und die Mitarbeiter*innen kehren in den meisten Fällen inspirierter, motivierter und produktiver zurück ins (Home)Office.³

New Work im Biergarten mit Laptop und Bier auf dem Tisch
Die Kombination von Arbeit und Urlaub ermöglicht einen temporären (Arbeits-)Ortswechsel und auch die Option, länger an einem (Urlaubs-)Ort zu verweilen. Foto: © erlebe.bayern – Thomas Linkel

Neues Bewusstsein 

New Work kann eine Chance sein, dem Fachkräftemangel proaktiv entgegenzuwirken. Denn zeitgemäße und moderne Arbeitsbedingungen sind eine Grundvoraussetzung, um auch zukünftig gute und motivierte Arbeitnehmer*innen zu gewinnen. Des Weiteren verbessern Arbeitsprozesse auf Augenhöhe langfristig die Zusammenarbeit im Team. Das Bewusstsein bei Arbeitgeber*innen muss sich also in Richtung New Work schärfen, denn nur wenn ein signifikanter Werte- und Haltungswandel auch von oberster Ebene aktiv vorgelebt wird, kann er seine volle Wirkung entfalten. Ob es eine attraktivere Büroraumgestaltung, neue und flexiblere Arbeitszeitmodelle oder agile Managementmethoden sind – New Work Ansätze können auch in der Tourismusbranche erfolgreich umgesetzt werden.

Zwei Radfahrer (Frau und Mann) fahren am Steinberger See Ufer entlang
Für Arbeitnehmer*innen steht heute meist nicht mehr die Karriere, sondern die Sinnhaftigkeit und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben im Zentrum. © Oberpfälzer Wald, Thomas Kujat