Interview mit Hubert Aiwanger: Zwischen Tür und Angel 

3 Fragen an den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger im Türrahmen
Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger © StMWi E. Neureuther

Wie sähe Bayern ohne den Tourismus aus?

Das möchte ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen müssen. Der Tourismus ist eine tragende Säule der bayerischen Wirtschaft. Die Branche sichert das Einkommen von rund 600.000 Menschen, vor allem auch im ländlichen Raum. Dabei geht es um mehr als Gastronomie und Beherbergung. Auch der gesamte Freizeitbereich, der Einzelhandel, Veranstalter, Dienstleistungsunternehmen, das Handwerk oder die Landwirtschaft profitieren vom Tourismus. Ohne unsere Gäste hätten wir in vielen Branchen einen regelrechten Kahlschlag auf dem Arbeitsmarkt und einen enormen Wohlstandsverlust.

Auch unsere Ortschaften sähen ohne Tourismus anders aus, er prägt in positivem Sinne unsere Regionen. Thermen und Schwimmbäder, Museen, Rad- und Wanderwege, Gasthäuser, Supermärkte oder Bäcker, Freizeitparks und Seilbahnen – vieles, was vor Ort an Infrastruktur entstanden ist, würde es für die Einheimischen allein nicht geben. Tourismus schafft Vielfalt und verbessert die Lebensqualität der Menschen vor Ort!

Tourismus hat freilich immer auch eine persönliche Ebene. Viele Menschen sind stolz, wenn Gäste aus aller Welt in ihrer Heimat zu Gast sind. Sie sind gerne bereit, sie als Einheimische auf Zeit willkommen zu heißen. Das Gespräch im Wirtshaus, die kurze Auskunft auf der Straße, die gemeinsame Begegnung bei einer Wanderung: Tourismus fördert Toleranz und den Austausch der Kulturen. Ohne Tourismus wäre Bayern auch in dieser Hinsicht ärmer.

Was muss heute getan werden, um ein positives Bewusstsein für den Tourismus zu fördern?

Das Tourismusbewusstsein, also das Wissen über die vielfältigen positiven Effekte des Tourismus, ist für mich der Schlüssel zu mehr Tourismusakzeptanz. Vielen Einheimischen ist bewusst, dass Tourismus auch für sie persönlich einen Mehrwert generiert. Nach einer Umfrage des Bayerischen Zentrums für Tourismus aus dem Sommer dieses Jahres sehen nur 8 Prozent aller Menschen in Bayern die Auswirkungen des Tourismus für ihren Wohnort eher negativ oder überwiegend negativ. Allerdings schätzen auch 41 Prozent der Befragten die Folgen für sie persönlich als neutral ein. Diesen Menschen wollen wir den Mehrwert des Tourismus aufzeigen!

Dafür müssen wir die Zusammenhänge zwischen Tourismus und Ortsentwicklung für alle nachvollziehbar machen, müssen die Bevölkerung an der strategischen Weiterentwicklung ihrer Heimat beteiligen, die entsprechenden Prozesse transparent gestalten, den Dialog vor Ort suchen, Lob und Kritik der Einheimischen gleichermaßen ernst nehmen und vor allem den Nutzen des Tourismus für die Einheimischen auch tatsächlich gewährleisten. Natürlich setzen wir auch darauf, dass sich der Tourismus selbst in einem nachhaltigen Sinn weiterentwickelt, noch mehr „im Einklang mit Mensch und Natur“ steht, wie es in unserem touristischen Leitbild heißt.

Mit welchen Maßnahmen unterstützt die bayerische Regierung die Tourismusakzeptanz?

Seitens des Wirtschaftsministeriums leisten wir etwa einen Beitrag, um Besucherströme zu entzerren und damit Überlastungen zu verhindern. So haben wir bereits im Sommer 2020 eine Arbeitsgruppe Besucherlenkung ins Leben gerufen, die sich zu einer wertvollen Plattform für den Austausch zu diesem Thema entwickelt hat. Darüber hinaus wurde der Ausflugsticker Bayern gestartet. Er bietet den Destinationen die Möglichkeit, potenzielle Gäste topaktuell über Wartezeiten, Staus oder volle Parkplätze zu informieren und alternative Ziele anzuzeigen. Durch die Erhebung von touristisch relevanten Echtzeitdaten wollen wir die Besucherstromlenkung noch aktueller und umfassender
gestalten.

Aus Mitteln des Sonderprogramms „Tourismus in Bayern – fit für die Zukunft“ haben wir zudem gemeinsam mit der BayTM und einer Vielzahl touristischer Akteure den Prozess einer nachhaltigen Destinationsentwicklung angestoßen und eine Matrix dafür entwickelt. Wir sind der festen Überzeugung, dass Tourismus dann einen echten Mehrwert schafft, wenn er Verantwortung übernimmt und für die Menschen vor Ort einen echten Mehrwert schafft. Dabei geht es nicht nur um die ökonomischen oder ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit, sondern auch um Solidarität, Transparenz und Gerechtigkeit – alles Faktoren, die entscheidend sind für die Tourismusakzeptanz vor Ort.

Mit Sensibilisierungsvorträgen und Workshops bringen wir diese Themen in die Fläche, um die Destinationen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Tourismusakzeptanz zu begleiten. Ich weiß, dass viele Landkreise, Gemeinden und DMOs bereits sehr aktiv sind, um die Tourismusakzeptanz weiter voranzubringen. Alle Destinationen, die hier vielleicht noch etwas zögerlich sind, möchte ich ermutigen, ebenfalls aktiv zu werden und die Angebote der BayTM in Anspruch zu nehmen. Denn Bayern braucht einen Tourismus, der allen guttut, Gästen und Einheimischen.