Made im Urlaubsland

Synergien, effiziente Ressourcennutzung, doppelter Markenglanz: Wo Tourismus- und Standortmarketing zusammenfinden, blühen Regionen richtig auf. Das Allgäu und die Alpenregion Tegernsee Schliersee machen es vor

Blick auf die Allgäuer Alpen bei Oberstdorf - die Sonne scheint, im Vordergrund ist eine bunte Blumenwiese zu sehen.
© Adobe Stock

Es geht um die Bilder, die im Kopf entstehen. Was denken die Leute, wenn sie den Namen einer Landschaft, Stadt oder Region hören? Welche Träume verbinden sie mit dem Ort, an den sie reisen wollen? Diese Fragen stellen sich Tourismusexpert*innen schon immer. Gastgebende, Veranstalter*innen, Gastronom*innen tragen seit jeher zum Ansehen ihrer Feriendestination bei.

Aber die Bilder im Kopf bewegen auch Kund*innen, Arbeitende, Investor*innen. Wie stellen sie sich den Ursprungsort der Produkte, die sie kaufen, oder die Gegend, in der sie vielleicht künftig arbeiten wollen, vor? Und die Menschen, die dort leben, was halten sie von ihrer Heimat? Welche Geschichten erzählen sie Besucher*innen und Gästen? Die Antworten darauf können die Entwicklung eines Wirtschaftsraums entscheidend beeinflussen. Deshalb beginnt sich aus dem Tourismusmarketing vielerorts ein Standortmarketing zu entwickeln, das die positiven Impulse von Reiseerwartung und Ferienerlebnis auf andere Lebens- und Wertschöpfungsbereiche überträgt. Und umgekehrt die Strahlkraft von Produkten, Institutionen oder Forschungsstätten nutzt, um auch die touristische  Attraktivität eines Urlaubsziels zu steigern.

Die Region Allgäu hat mit einer solchen integrierten Marketingstrategie schon wichtige Wegmarken passiert. Nach dem Relaunch der Dachmarke Allgäu  zur Wort-Bild-Marke 2009 wurde zunächst die Verwendung des Allgäu-Logos über touristisch-freizeitorientierte Angebote hinaus intensiviert und das anerkannte Image der Marke auf eine breite Basis von Produkten und Unternehmen übertragen. Um die Anstrengungen zu bündeln und zu verstärken, wurde 2011 die Allgäu GmbH geschaffen.

Allgäu: Die starke Marke

Seit 2009 überträgt das Allgäu sein positives Image aus dem Tourismus auf die unterschiedlichsten Unternehmen und Produkte, die den Markenansprüchen zu Qualität und Nachhaltigkeit genügen. Und die diese Werte erlebbar machen – ob als kleine Bäckerei oder als großes Unternehmen. extranet.allgaeu.de

Tourismus Beispiel: Blick auf eine Almhütte mit Touristen im Allgäu
Holzschindeln und Almwirtschaft verkörpern die Marke Allgäu © erlebe.bayern – Gert Krautbauer
Auch Käsereien gehören zu den Markenpartnern des Allgäus.

„Die Marke Allgäu verfügt nicht nur über ein Logo“, sagt Marketingleiter Stefan Egenter, „sondern hat auch eine authentische und zugleich zukunftsweisende Geschichte zu erzählen, hat einen branchen- und sektorenübergreifenden Kompetenz- und Qualitätsanspruch formuliert und eine gemeinsame, einheitliche Gestalt angenommen.“

Längst tauchen in den vertrauten Bildern von Bergketten mit grasenden Rindern immer häufiger die blauen Allgäu-Würfel auf. Das Logo ist  ähnlich einprägsam wie die Milka-Kuh, unterscheidet sich von diesem Werbeklassiker aber durch seine Frische. Und transportiert damit genau das, was die Allgäuer als ihre „Markenessenz“ herausgearbeitet haben: Frische. Mit dem Begriff verbinden sie sehr geschickt die unterschiedlichen Qualitäten ihrer Region.

Der Erfolg strahlt weit über den Tourismus hinaus. „Seit der Gründung und der damit einhergehenden Einführung der Marke Allgäu als Siegel für Nachhaltigkeit und Qualität konnten bis heute schon über 600 Markenpartner gewonnen werden“, freut sich Egenter. Firmen, Handwerksbetriebe, Medizin-Dienstleister profitieren von der Strategie, Tourismus- und Standortmarketing zu vereinen. Zum Erfolg eines Unternehmens tragen viele Faktoren bei, der spezifische „Allgäu“-Anteil lässt sich schwer beziffern. Doch das Vertrauen der Unternehmer*innen spricht für sich. „Ich finde die Idee gut“, sagt Benjamin Schick von Schick Zahntechnik. „Es geht dabei nicht nur um den Tourismus, sondern darum, Mittelstand und Handwerk zu stärken. So  entsteht durch die Marke eine Gemeinschaft, in der man sich untereinander austauschen kann.“

Beim derzeit besonders vordringlichen Thema Fachkräftemangel setzen viele Betriebe gezielt auf Aktionen, die von der Allgäu GmbH initiiert und begleitet werden. Zum Beispiel die Job-WG, die viele qualifizierte Bewerber*innen ansprach. Sie konnten bei mehreren Arbeitgebern unterschiedliche Berufe testen. „Bereits zwölf Unternehmen haben sich jetzt schon für eine potenzielle Folgekampagne ausgesprochen“, sagt Philipp Kahl vom Digitalen Zukunftszentrum Allgäu-Oberschwaben. Und Manuel Diepolder, Geschäftsführer der Firma Allgäu Batterie, die Energiesysteme für die Industrie produziert, lobt den Wettbewerb „Great Place to Work“. Seine Firma, die großen Wert auf Mitarbeiter*innenmotivation legt, konnte sich dabei als bester Arbeitgeber profilieren. „Solche Aktionen sind ein Ansporn für Unternehmen und stärken den Standort.“

Das Allgäu gilt schon länger als besonders bekannte Regionalmarke. Jetzt kam noch der Red-Dot-Design-Award für den Markensound hinzu, eigens komponierte Allgäu-Klänge für die musikalische Untermalung von Videos, Instagram-Reels, Telefonanlagen. Und auch der Deutsche Tourismuspreis für das Bad Hindelanger Ruf-Bus-Projekt Emmi-Mobil ist mit ein Verdienst des bei der Allgäu GmbH angesiedelten Mobilitätsmanagements.

2019 hat man im Allgäu in einem aufwendigen Evaluierungsprozess überprüft, ob sie auf dem richtigen Weg sind. 5.000 Menschen wurden per Fragebogen, 40 Expert*innen in 90-minütigen Tiefeninterviews befragt, darunter Hoteliers, Unternehmer*innen, Verbandschef*innen. „So haben wir unsere Markenwerte ermittelt  und, wo nötig, nachgeschärft“, sagt Stefan Egenter. Inzwischen haben sich unter der Marke Allgäu grenzüberschreitend vier bayerische Landkreise und drei baden-württembergische Städte zusammengefunden. Auch die Österreicher*innen im Kleinwalsertal und im Tannheimer Tal sind mit von der Partie. „Mit dem Begriff Allgäu werben wir aber nur in Deutschland und der Schweiz“, sagt Stefan Egenter. „Im fremdsprachigen Ausland schließen wir uns der starken Marke ‚Bayern‘ an.“

Blick auf den Tegernsee im Sommer

Alpenregion Tegernsee Schliersee

Vom Tourismusmarketing zum gemeinschaftlichen Standort- und Tourismusmanagment führte der Weg der Alpenregion Tegernsee Schliersee. Die in diesem Jahr gegründete Regionalentwicklung Oberland (REO) kümmert sich um alles zusammen. Infrastrukturmaßnahmen und die Lebensqualität
der Anwohner*innen stehen im Fokus. regionalentwicklung-oberland.de

Im Oberland liegen die Schwerpunkte etwas anders. Hier gab es seit rund 20 Jahren das Kommunalunternehmen (KU) für Tourismusmarketing der Alpenregion Tegernsee Schliersee. Und seit etwa zehn Jahren das KU für Standortmarketing des Landkreises Miesbach. Die beiden Institutionen haben sich im Sommer 2022 unter dem Dach der Regionalentwicklung Oberland (REO) vereint. Denn auch die Aufgaben aus beiden Bereichen sind zusammengewachsen.

„Die Schnittmengen wurden immer größer“, sagt Harald Gmeiner. Im Tourismus, seinem Bereich als Vorstand, habe sich das Marketing „zum Tourismusmanagement gewandelt. Unsere Aufgaben wurden neu definiert“. Es sei nicht mehr zeitgemäß, die Menschen nur ans Urlaubsziel zu locken. Die Schönheit der Natur müsse erhalten werden, die Lebensqualität der Anwohner, die Attraktivität des Standorts. „Da geht es verstärkt um Infrastrukturmaßnahmen“, sagt Gmeiner. „Die muss man nicht doppelt planen. Deshalb haben wir uns vernetzt.“ 2017, schon vor der Fusion, hatten die Partnerorganisationen im Oberland erste Vorhaben gemeinsam umgesetzt, zum Beispiel das Netzwerkprojekt „Coworkation Alps“ oder die Entwicklung des Radwegs von Otterfing nach Gmund.

Auch künftig wird es um Wanderwege und Mountainbike-Routen gehen. Zudem ist ein Großvorhaben in Planung: die digitale Verkehrslenkung mit Kapazitätserfassung von Parkplätzen und Bahnen in Echtzeit. Idealerweise unterstützt von einem Algorithmus, der Ferien- oder  Feiertagssituation und Wetterlage einrechnet. Und Besucher*innen empfehlen kann, die Bahn zum Wendelstein zu nehmen, wenn bei der Wallbergbahn der Andrang zu groß ist. „Alle wichtigen Informationen aus der Region sollen den Gästen auf ihren digitalen Endgeräten zugespielt werden“, sagt Harald Gmeiner.

Seit eineinhalb Jahren schon gibt es die „OberlandCard“ im Landkreis Miesbach – das erste  landkreisweite Bonusbezahlsystem Deutschlands. Gefördert vom Bayerischen Wirtschaftsministerium, um die örtlichen Geschäfte stärker an der Kaufkraft der Gäste teilhaben zu lassen. Auch die Kreise Garmisch-Partenkirchen, Weilheim-Schongau und Bad Tölz-Wolfratshausen haben Interesse gezeigt, bei der Card mitzumachen. Weitere Schritte zur Stärkung des Standorts Oberland sind Ansiedlungsprojekte, Handreichungen für Firmengründer*innen, Initiativen zur  Ausbildungsförderung wie Schülermessen und eine mobile Forschungswerkstatt.

Ähnliche Ansätze verfolgt auch die Allgäu GmbH, um Start-ups und Jungunternehmer*innen anzusprechen,  Schulabsolvent*innen für eine Aus- oder Weiterbildung in der Region zu interessieren oder ihnen mit einem Job-Hopping-Programm bei der Suche nach dem richtigen Arbeitgeber zu helfen.

Charmant ist die Aktion „Alter Hof sucht neue Liebe“ samt der ersten „Masterclass Hoftransformation Allgäu“. Das Prinzip dabei: alte Strukturen erhalten, indem man sie mit neuem Leben füllt. Auf der Website extranet.allgaeu.de finden sich auch Unternehmen als „Markenbotschafter“. Ein Hersteller von Zahntechnik gehört dazu, ein besonders nachhaltig arbeitendes Holzbauunternehmen, ein international tätiges Unternehmen für  Automatisierungstechnik und natürlich eine Käserei. Denn wo Allgäu draufsteht, ist die ganze Vielfalt des Allgäus drin.