Zwischen Tür und Angel

Interview

3 Fragen an den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger im Türrahmen

Ihr Haus setzt auf einen Tourismus im Einklang mit Mensch und Natur. Was bedeutet das konkret?

„Die Menschen kommen zu uns nach Bayern, weil sie Urlaub in schöner Natur genießen wollen. Sie wollen wandern, Rad fahren oder die Seen, Flüsse und Berge erleben. Eine intakte Umwelt ist die wichtigste Geschäftsgrundlage für den Tourismus. Sie zu erhalten und zu bewahren ist existenziell. Bei der Destinationsentwicklung steht auch in den Regionen nicht von ungefähr der Umwelt-, Ressourcen- und Naturschutz immer ganz oben auf der Agenda. 

Aber nachhaltiger Tourismus bedeutet mehr als Umweltschutz. Es geht auch darum, die Lebensqualität für Gäste und Einheimische gleichermaßen zu erhalten und zu fördern. Es geht um die Vermeidung regionaler Überforderungen durch den Tourismus, vor allem im Verkehrsbereich. Es geht aber auch um den aktiven Erhalt unserer regionalen Brauchtümer, kulinarischen Schmankerl und ererbten Traditionen. Wir wollen nicht, dass sich unsere Gäste wie im Disneyland vorkommen, wo alle paar Stunden Brauchtümer als besondere Attraktion auf die Bühne gebracht werden. Wir wollen, dass unsere Gäste regionale Kultur und Lebensart hautnah und authentisch erfahren können, ganz im Sinne eines Urlaubserlebnisses von Mensch zu Mensch.“

Welchen Aufgaben und Veränderungen muss sich der Tourismus in Bayern aus Ihrer Sicht am dringendsten stellen, um den Freistaat auch für die Zukunft als attraktives Urlaubsziel zu erhalten?

„Gerade habe ich schon das Thema Lebensqualität für Gäste und Einheimische angesprochen. Ich glaube, in diesem Bereich sind wir schon ziemlich gut, aber ich denke, hier ist noch viel Musik drin, wenn wir über die Zukunft des Bayerntourismus sprechen. Der Tourismus ist eine Querschnittsbranche. Entsprechend gehen die positiven Effekte einer guten Tourismusbilanz für Wertschöpfung und Beschäftigung weit über das Kerngeschäft Beherbergung und Gastronomie hinaus. Landwirtschaft, Handel, Handwerk und Dienstleistungen, sie alle können gewinnen, wenn es im Tourismus in einer Region rund läuft. Gerade für den ländlichen Raum besteht hier großes Potenzial.

Für mich ist es deshalb elementar, dass wir im Tourismus noch mehr auf regionale Wertschöpfungsketten setzen. Das reicht von vermeintlichen Kleinigkeiten wie dem Angebot von Marmeladen aus der Region auf dem Frühstücksbüfett, über die Verarbeitung von regionalem Fleisch, Obst und Gemüse in der Gastronomie, Angebote in Hofläden bis hin zum regionalen Handwerk. Unsere Betriebe haben hier viel zu bieten. Wir müssen das alles für unsere Gäste erlebbar machen, die Wertschöpfungsketten vor Ort noch enger stricken. Denn regionale Qualitätsprodukte sind für unsere Gäste ein echtes, einmaliges Erlebnis und schonen durch kurze Transportwege nicht zuletzt auch die Umwelt.“

Mit welchen konkreten Maßnahmen und Angeboten fördert das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie eine nachhaltige Entwicklung der Branche?

„Nachhaltiger Tourismus ist längst nicht mehr nur gut fürs Image. Wer heute auf Nachhaltigkeit setzt, setzt aufs richtige Pferd für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Es geht dabei nicht zuletzt um die Erhöhung der Resilienz gegenüber Krisen. Wie gesagt, der Tourismus verfügt aufgrund seiner kleinteiligen Strukturen und der engen Verzahnung mit anderen Branchen über ein immenses Potenzial, regionale Wertschöpfung zu generieren.

Um dieses Potenzial heben zu können, fördern wir einen Tourismus, der im Einklang mit den Bedürfnissen der Einheimischen steht. Entscheidend ist, dass wir die Bevölkerung und die Wirtschaft vor Ort aktiv mitnehmen und in Entscheidungen einbinden. Denn nur wo sich Einheimische wohlfühlen, wo die Tourismusakzeptanz hoch ist, fühlen sich auch unsere Gäste wohl! Nachhaltigkeit im Tourismus wird damit zur echten Gemeinschaftsaufgabe – im Betrieb, in der jeweiligen Destination und für den Tourismusstandort Bayern insgesamt.

Seitens des Wirtschaftsministeriums stellen wir etwa mit dem Sonderprogramm „Tourismus in Bayern – fit für die Zukunft“ kurzfristig 30 Millionen Euro für ein modernes und nachhaltiges touristisches Angebot bereit. Wir fördern beispielsweise bei Klein- und Kleinstbeherbergungsbetrieben Investitionen in Digi­talisierung, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit. Ebenfalls berücksichtigt sind die Themen der Erhebung touristisch relevanter Echtzeitdaten und der Besucherstromlenkung. Gerne leisten wir hier unseren Beitrag, um die Nachhaltigkeit im Bayerntourismus weiter voran­zubringen.“