Doch ein Traumjob!

Traumjob Tourismus

Die Branche ächzt unter Arbeitskräftemangel. Doch es geht auch anders: Am Beispiel von vier bayerischen Hotels zeigen wir, wie man mit Wertschätzung, guter Bezahlung und Benefits Mitarbeiter*innen nicht nur gewinnt, sondern auch dauerhaft hält.

Blick auf den Brunner Hof in Arnschwang im Bayerischen Wald
Der Brunner Hof in Arnschwang im Bayerischen Wald. Ein Paradies für Gäste. Aber auch das Team fühlt sich hier nachweislich wohl © Severin Wohlleben
Familiäre Atmosphäre: Andreas Brunner mit den Söhnen Florian und Andreas junior
Familiäre Atmosphäre: Andreas Brunner (m.) mit den Söhnen Florian (l.) und Andreas jun. © Severin Wohlleben

Fachkräfte, die er nicht bekommt? Offene Stellen, die er nicht besetzen kann? Andreas Brunner denkt kurz nach. Nein. Alle Positionen im Brunner Hof in Arnschwang im Bayerischen Wald sind vergeben. Damit befindet sich das 97-Betten-Haus in einer beneidenswert komfortablen Situation. Denn viele andere Betriebe im Gastgewerbe leiden unter starkem Fachkräfte- und Personalmangel. Das Problem ist seit Jahren akut; der demographische Wandel (niedrige Geburtenraten und „Boomer“, die in Rente gehen) hat es ebenso befördert wie der Umstand, dass in Deutschland praktisch Vollbeschäftigung herrscht.

Obendrein gilt die Gastrobranche wegen Saisonarbeit, unregelmäßiger Arbeitszeiten, niedriger Löhne und oft starrer Strukturen vor allem für jüngere Leute häufig als unattraktiv. Auf diesem Terrain wirkte Corona wie ein Brandbeschleuniger, denn Teilzeitkräfte und Minijobber*innen wanderten in andere Branchen ab. Und blieben dort. Dabei ist die Nachfrage nach Arbeitskräften momentan wegen der starken Auslastung der Ferienregionen durch „Nachholbedarf“ der Gäste sogar besonders groß.

Laut DEHOGA Bayern suchten im Juli dieses Jahres 65,4 Prozent der Betriebe Fachkräfte, 73,6 Prozent hielten nach Minijobber*innen Ausschau. Für über 60 Prozent war der Personalmangel die aktuell größte Herausforderung im Betrieb. Dass das Problem sich langfristig nur gesamtgesellschaftlich, nämlich durch erheblich verstärkten Zuzug von Arbeitskräften aus dem Ausland wird lösen können, gilt als gesichert.

Viele Mitarbeiter*innen halten dem Haus schon lange die Treue

Sieht man sich jedoch Betriebe wie den Brunner Hof an, wird deutlich, dass Personalknappheit kein Schicksal sein muss, sondern sich durch geeignete Maßnahmen durchaus in den Griff bekommen lässt. In dem Vier-Sterne-Plus-Hotel, das vor 42 Jahre als Dorfmetzgerei mit angeschlossener Wirtschaft begann, sausen heute 103 Mitarbeiter*innen aufmerksam durch die Restaurants, schnippeln Gemüse, zapfen Bier, machen Betten, desinfizieren die Sauna und schreiben Rechnungen. Die meisten halten dem Haus seit vielen Jahren die Treue.

Das Geheimnis dahinter? „Die Wertschätzung“, sagt Brunner. „Man muss würdigen, was die Mitarbeiter tun. Man muss die Stärken des Einzelnen erkennen und ihn an der richtigen Position einsetzen. Er muss ins Team integriert werden, sich wohl und als Teil der Familie fühlen. Der Gast spürt das und fühlt sich ebenfalls gleich viel besser. Zufriedene Mitarbeiter sind die besten Werbeträger und das größte Betriebskapital.“

Restauranzleiterin Agnes serviert Getränke
Jobs, die Freude machen: Restaurantleiterin Agnes mag es, dass sie Verantwortung übernehmen darf. © Severin Wohlleben
Bild von Mitarbeiter Ousama, der direkt von Marokko nach Arnschwang gezogen ist.

Mit Resonanz nachhaltig aus der Personalkrise

Was im Brunner Hof praktiziert wird, ist eine nach innen gerichtete Resonanzstrategie, wie sie von Expert*innen wie dem deutsch-österreichischen Zukunftsinstitut als goldener Weg aus der Imagekrise des touristischen Arbeitsplatzes empfohlen wird: Wahres Interesse aneinander, echte Beziehungen, Lebensqualität und die Erfahrbarkeit von Selbstwirksamkeit schaffen eine Unternehmenskultur, in der sich Mitarbeiter*innen wohlfühlen. Hotelier Brunner, der das Haus zusammen mit seinen Söhnen Andreas jun. und Florian führt, wirkt im Umgang mit seinen Mitarbeiter*innen väterlich und achtsam. Er erzählt vom Lehrling, der sich kein Auto leisten konnte „und dem wir dann halt geholfen haben. Das Darlehen hat er ganz gemütlich abstottern dürfen“. Das Fürsorgliche liegt ihm im Blut. Gleichzeitig weiß er als Vizepräsident des DEHOGA Bayern und Mitglied des DEHOGA-Bundesvorstands auch, worauf es sonst noch ankommt. Auf die Ausbildung zum Beispiel. „Gute Fachkräfte gibt es nicht zu kaufen. Die musst du dir selbst ausbilden. Und sie gut begleiten. Bei uns bekommen Auszubildende 100 Euro mehr im Monat als üblich. Außerdem gilt bei uns die Regel, dass Azubis nach der Lehre noch ein Jahr im Betrieb bleiben. Aber auch danach verlassen uns nur wenige.“

Und wie sieht es im Brunner Hof mit ausländischen Arbeitskräften aus? Menschen aus sieben Nationen arbeiten im Hotel; im Putz- und Housekeepingbereich sind – die Grenze ist nur ein paar Kilometer entfernt – vor allem Tschech*innen beschäftigt. Begeistert erzählt Brunner dann vom neuen Ausbildungsberuf „Fachkraft Küche“, der sich zum Beispiel an Migrant*innen mit wenig Deutschkenntnissen richtet. Und von den dringend benötigten Azubis, welche der DEHOGA Bayern momentan in Marokko und Vietnam anwirbt. „Diese Menschen bringen enormes Engagement mit und sind ein wichtiger Teil der Problemlösung“, sagt Brunner und zeigt zur Restauranttheke. Dort steht der junge Ousama aus Südmarokko im blauen Wams, zapft zwei Halbe Bier und übergibt sie dem 21-jährigen Trung aus Vietnam, der sie an den Gästetisch trägt. Andreas Brunner sieht zufrieden zu. Arbeitskräfte? Läuft! brunner-hof.de

Die Rezeptionistinnen des Brunner Hofs
Die Rezeptionistinnen des Brunner Hofs. „Jeder Mensch im Team ist auf einer bestimmten Position gut“, findet Brunner. „Dorthin müssen wir ihn bringen.“ © Severin Wohlleben

Drei Hotels und ihre Personalphilosopie

SONNENALP, OFTERSCHWANG

Gäste, die sich beim Surfen versehentlich auf die Karriere-Website der Sonnenalp verirren, riskieren, sich für einen Job zu bewerben, statt ihren Urlaub zu buchen: Das Fünf-Sterne-Resort im Allgäu mit 232 Zimmern, Suiten und Chalets setzt ganz auf Employer Branding und wirbt nicht nur mit Jobanzeigen, sondern mit Hochglanzfotos, Blogbeiträgen und Erfahrungsberichten um kostbare Mitarbeiter*innen und Auszubildende. Auch mit dem Instagram-Account @echt_sonnenaelpler und der Videokampagne „Inside Sonnenalp“
sollen potenzielle Bewerber*innen inspiriert werden.

Gast- und Arbeitgeber: Familie Fäßler von der Sonnenalp
Gast- und Arbeitgeber: Familie Fäßler von der Sonnenalp © Sonnenalp Resort

Bei der Imagepflege bleibt es dann freilich nicht; die Mitarbeiter*innen erwarten auch echte Benefits. Ungewöhnlich: die 169 Personalwohnungen sowie das betriebliche Gesundheitsmanagement. Auch Kinderbetreuung, Firmenwagen- oder Jobrad-Leasing sowie Weiterbildungen in der hauseigenen Akademie sind möglich.

Doch was für zufriedene Mitarbeiter*innen wirklich wichtig sei, heißt es aus Ofterschwang, „ist das Zusammengehörigkeitsgefühl. Wir sind eine große Familie, bieten Wertschätzung und Zugehörigkeitsgefühl“. Dennoch ließen sich manche Stellen schwer besetzen. „Es fehlen Fachkräfte im Bereich F&B und gut Deutsch sprechende Anlernkräfte fürs Housekeeping.“ sonnenalp.de

ALPENHOF, MURNAU

Um gute Mitarbeiter*innen zu finden, tut der Alpenhof in Murnau einiges: Er pflegt die wichtigsten Recruiting-Plattformen der Branche, ist auf Jobmessen präsent, arbeitet mit Schulen zusammen und hat 2020 seine Karriere-Webseite samt mitreißenden Videos online gestellt. „Wir wollen da vermitteln, wie es ist, bei uns zu arbeiten. Wir wollen Emotionen auslösen“, sagt Christian Bär, Pächter und Geschäftsführer des Fünf-Sterne-Hotels am Murnauer Moos. Er ist überzeugt: „Wenn man geduldig ist und ein faires Arbeitsumfeld schafft, findet man auch die richtigen Leute.“

Doch wie sieht das richtige Arbeitsumfeld aus? „Aufmerksamkeit jedem Mitarbeiter gegenüber und Wertschätzung sind das Wichtigste. Gleich danach kommen Finanzielles und Work-Life-Balance“, glaubt Bär, für den Menschlichkeit ein ganz wichtiger Faktor ist. „Wir erkennen und fördern Potenzial mit regelmäßigen Feedback-Gesprächen, schaffen beste Arbeitsbedingungen und Karrierechancen.“

Zu den Benefits für die 150 Mitarbeiter*innen gehören auch Fünf-Tage-Woche, Rabatte und ein Teambuilding-Programm. Wichtig hält Bar auch Elemente wie „offenen Türen auf allen Ebenen“, „Freiraum für eigene Ideen“ und den Umstand, ein Haus ohne komplizierte Prinzipien zu sein. alpenhof-murnau.com

Tourismus-Arbeitgeber Christian und Elke Bär vom Alpenhof
Christian und Annette Bär vom Alpenhof

HOTEL RIESENGEBIRGE, NEUHOF A. D. ZENN

Portrait von Philipp und Katrin Schneider, Hotel Riesengebirge
Philipp und Katrin Schneider, Hotel Riesengebirge

Persönlich und individuell – so möchte man im familiengeführten Landhotel Riesengebirge in Franken auf jede*n einzelne*n der 35 Mitarbeiter*innen eingehen. Das geht für Inhaber Philipp Schneider schon bei der Jobvergabe los. „Häufig definieren wir Stellenbeschreibungen erst, wenn wir den Bewerber mit seinen Stärken kennenlernen, und versuchen dann, ein passendes und motivierendes Profil für ihn zu erstellen.“ Damit die Arbeits- und Fachkraft auch bleibt, wird alles für ihre Zufriedenheit getan.

Hier sieht sich Schneider vor allem in Sachen Arbeitszeiten in der Pflicht. „Bei der jüngeren Generation ist die Work-Life-Balance fast wichtiger als das Geld. Das ist die größte Herausforderung für unsere Branche. Wir etwa haben sonntags überwiegend geschlossen und ein gut planbares Eventgeschäft.

Die Branche generell sollte aber mal über neue Arbeitszeitmodelle wie die Vier-Tage-Woche, regelmäßig freie Wochenenden oder neue, unkonventionelle Öffnungszeiten nachdenken.“ Auch sonst mahnt Schneider in der Branche ein Umdenken an.

„Neben den Arbeitszeiten müssten auch Wertschätzung und Bezahlung viel wichtiger genommen werden. Diesen Prozess muss jeder Betrieb für sich starten.“ hotel-riesengebirge.de